Romane

Der Mann im Unterhemd

von Zafer Senocak

„Jeder Mann möchte Lisa begegnen und hat Angst davor. Die wildesten entschlossendsten Aufreißertypen, die verschmitztesten Charmeure sind verschüchtert, fahren mit gesenkten Blicken in der Untergrundbahn. Warum schweigt die Gemeinde so hartnäckig? Glaubt jeder an ein zweites Mal, das es niemals geben wird? Wer hat die Gerüchte verbreitet, auf denen diese ganze Geschichte beruhte? Alles ist erfunden. Wie beruhigend diese Feststellung wäre, wenn nur nicht fast das ganze Leben aus Erfindungen bestünde.“

Leseprobe:

… Der Mann im Unterhemd lebte im Dreieck von Schreibmaschine, Meer und Frau. Sein Leben lang suchte er den rechten Winkel. Das Meer war die endlose Weite, die Vergesslichkeit. Die Frau war die endlose Nähe, die schrumpfte und zerfiel, um zu wachsen. Die Schreibmaschine war die Paarung. Immer wenn die Nähe der Frau so gewachsen war, dass der Mann im Unterhemd nicht mehr in sie hineinpasste, schiffte er hinaus in die Vergesslichkeit, kam als alter Mann zurück, paarte seine Fingerkuppen mit dem Papier und war wie neugeboren. Doch befand er sich in diesem Augenblick, zu dieser Stunde nicht im rechten Winkel, sondern im spitzen. Nur im rechten Winkel ist eine Frau dem Jäger nahe…

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